Am 31. 7. 2024 ist der letzte Schultag von Oberstudiendirektor Christian Czempinski am Gymnasium LSH Marquartstein.
Also sei an dieser Stelle die Rede der Stellvertretenden Schulleiterin Katharina Brachmann zitiert, die sie vor der Schülerschaft, den Mitarbeitern und dem Kollegium bei den jeweiligen Verabschiedungsfesten während der letzten Schulwoche gehalten hat:
Andra moi ennepe, Musa, polütropon…
Liebe Festgäste (oder sind wir alle eher Trauergäste?),
bei Abschieden Homers „Odyssee“ zu zitieren, ist ein gerne verwendeter Topos. Und doch passt dieser selten so gut wie auf unseren Chef, der uns alle mit seiner kurzfristig angekündigten Versetzung nach Kirchseeon (euphemistisch formuliert) überraschte, (realistisch formuliert) erschütterte.
Seine Odyssee führte ihn nicht über das Mittelmeer oder zu den Säulen des Herkules, sondern durch die bayerischen Landschaften, von Ramerberg nach Marquartstein und zurück – eine Strecke von insgesamt 141.000 Kilometern. Das entspricht etwa drei Weltumrundungen!
Nach eigener Aussage brauchte er für diese drei Weltumrundungen etwa 98 Tage. Ein Arbeitstag hat circa acht Stunden, das bedeutet dann, dass unser Chef mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 180 Kilometern pro Stunde unterwegs war. Das können wir uns gut vorstellen, da er ja im Gegensatz zu Odysseus nicht auf einem antiken Schiff segelte, sondern im hochtechnisierten Audi. Vermutlich erklärt das auch die etwas rätselhafte jährliche Umfrage aus dem KM zu dienstlichen Flugreisen des Schulleiters, ein Sportflugzeug ist mit einer ähnlichen Geschwindigkeit unterwegs. Wenn Herr Czempinski als passionierter Radfahrer umweltbewusst auf den Drahtesel gestiegen wäre, dann hätte er bei einem Durchschnitt von 25 Kilometern pro Stunde immerhin zwei seiner hier verbrachten sieben Jahre auf dem Fahrrad gesessen.
Aber lasst uns nicht vergessen, dass die Czempinskische Odyssee nicht nur aus Kilometern besteht. Sie ist reich an Abenteuern und Begegnungen.
Odysseus manövriert seine Flotte in der Meeresenge von Messina zwischen den Seeungeheuern Skylla und Charybdis hindurch. Unser Odysseus Czempinski brachte seine Mannschaft unbeschadet durch stürmische Zeiten, insbesondere während der Corona-Pandemie. Amokalarm und brennende Hanfpalmen gehören zu seinen Abenteuern, aber auch der ganz normale Schulleiteralltag ist zweifellos eine Odyssee für sich.
Odysseus kämpft gegen den einäugigen Polyphem. Unser Chef kämpft mit dem Bauamt für unseren Neubau. Raumprogramme werden wöchentlich in neue Excel-Listen eingetragen. Schwierige Fragen, wie „Kann es sein, dass die aktuelle Töpferei mit Brennerei in Wirklichkeit ein Physiksaal ist?“ werden geklärt. Die Antwort lautet übrigens NEIN.
Odysseus erleidet Schiffbruch, nachdem seine Leute die Winde des Aiolos freigelassen haben. Enttäuscht ist er und zimmert zusammen, was noch zu retten ist. Odysseus Czempinski tut es ihm nach. Zwar hat er keinen Schiffbruch erlitten (von seinem Autounfall abgesehen). Dennoch zimmerte er zusammen, was noch zu retten war. Eine Turnhalle wurde gebaut, Pausenbereiche neu angelegt, ein Klettergerüst aufgestellt, Klassenzimmer renoviert, der Schulname geändert, digitale Tafeln installiert, Glasfaseranschlüsse verlegt und neue Tische sowie Stühle für die Schüler beschafft. Die Sanierung des Lehrerzimmers wurde angestoßen. Unser Chef treibt die Schulentwicklung voran, sammelt Gremien um sich, um sich mit unterschiedlichsten Vertretern zu beraten und zeigt sich immer innovativ. Seine Handschrift prägt diese Schule in vielerlei Hinsicht, bereits vor dem Eingang finden wir den lateinischen Spruch „Liberis schola humanitatis“.
„Non plus ultra – nicht mehr weiter!“, hat Herkules ans Ende der (damals bekannten) Welt schreiben lassen. In Gibraltar ist Odysseus umgekehrt und zurück Richtung Westen gesegelt. Und Odysseus Czempinski tut es ihm gleich. „Marquartstein – non plus ultra“ lautet seine Devise. Nach zehn Jahren der Irrfahrt kehrt Odysseus nach Ithaka zurück, Odysseus Czempinski darf nach immerhin sieben Jahren der Pendelei zurück an seinen Sehnsuchtsort Kirchseeon und so steht zu vermuten, dass man ihn dort – anders als Homers Sagenfigur – auch sofort wiedererkennen und mit offenen Armen aufnehmen wird.
Auch charakterlich gleicht unser Odysseus Czempinski seinem mythologischen Vorbild: Er ist ein Macher, ein Mensch mit Visionen und einem klaren Ziel und abgesehen von der berühmten Schläue ist er ein Flottenführer, der an Deck steht, egal wie scharf Wind und Wellen ihm entgegenschlagen. Er lässt seine Leute nicht im Stich und er grollt ihnen nicht, auch dann nicht, wenn sie Fehler machen.
Wir wollen unseren Odysseus Czempinski nicht so einfach gehen lassen, sondern geben ihm noch ein Geschenk mit auf den Weg:
Es handelt sich um ein Gefäß zur Aufbewahrung von Krisenbewältigungsglobuli, z.B. in Form von Lindor-Kugeln, bei besonders dramatischen Krisen können es dann auch Rumkugeln sein. Die Kugelform in blauem Marmor soll nicht an die Form des Chefs erinnern, sie soll den Weltreisenden symbolisieren. Der Pegasus als strahlendes Luft- und Paradieswesen, als Sinnbild der geistigen Erhebung und des unsterblichen Ruhms (nicht Rums!) bedarf keiner Erklärung. Der Lorbeerkranz krönt im übertragenen Sinn unseren Primum inter Pares, den Magistrum optimum maximum.
Nun verlässt Odysseus Czempinski das Ende seiner Welt, Marquartstein und wir verabschieden uns mit einem Auszug aus Homers „Odyssee“:
"Leb wohl, edelster der Schulleiter, den diese Hallen jemals aufgenommen haben! Da du in unserem Gymnasium eingekehrt bist und uns reich beschenkt hast, so hoffen wir, du werdest nun auf direktem Weg in Ithaka-Kirchseeon anlanden. Kehre unbeschadet an deinen Sehnsuchtsort zurück!“
Abgebildet: Die Stellvertretende Schulleiterin, Katharina Brachmann mit dem scheidenden Schulleiter, Christian Czempinski bei der Abschiedsfeier (Foto: Christiane Giesen, Traunsteiner Tagblatt)